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Bereit für den Wettkampf?

01.05.2012


Von Philipp Rauscher

Zum Zeitpunkt des Erscheinens dieser Ausgabe von NBB&F geht es bei den meisten Wettkämpfern wieder los. Es beginnt die Diät für die Herbstsaison. Für Bodybuilder bedeutet das, den Körperfettanteil so stark wie möglich zu reduzieren und gleichzeitig möglichst viel Muskelmasse zu erhalten. Läuft alles wie erwünscht, steht der Athlet zum Ende seiner Diät hin mit seiner bestmöglichen Form auf der Bühne. Er hat ein Maximum an Muskelmasse erhalten und ein Minimum an Körperfett erreicht. Seine Haut ist dünn wie Pergamentpapier, und er hat ein volles und pralles Erscheinungsbild, welches er – oder natürlich auch sie – durch ein elegantes Posing optimal in Szene setzt.

Doch bis es soweit ist, liegt vor jedem Athleten noch ein langer Weg. Ein Weg, der nicht immer einfach sein wird, aber gleichzeitig doch auch ein Weg, den sich viele Sportler schwieriger machen und gestalten, als es eigentlich sein müsste. Nicht selten ist zu beobachten, dass Bodybuilder vom ersten Tag ihrer Wettkampf-Vorbereitung an hungern müssen, Leistungseinbußen hinnehmen müssen oder zu nichts anderem mehr fähig sind, als zu trainieren und sich nur von einer Mahlzeit zur nächsten zu retten und hoffen, dass alles möglichst schnell vorbei ist.

Doch so muss es nicht sein. Natürlich, eine gewisse Aufopferung ist notwendig, aber mit Sicherheit nicht gleich von Beginn an! Woran aber liegt es, dass genau das immer wieder und wieder passiert und immer öfter beobachtet werden kann? In den meisten Fällen tritt diese Situation deshalb auf, weil Athleten sich Hals über Kopf in eine Diät stürzen, die Kalorien kürzen, die Kohlenhydrate streichen, stundenlanges Kardiotraining durchführen und letztlich völlig übertrainiert und unterernährt kurz vor dem Scheitern stehen.

Ich habe dieses Schreckensszenario selbst schon mitgemacht und durchlebt und viele Male auch bei anderen Athleten miterlebt. Deshalb habe ich mir für diese Ausgabe von NBB&F überlegt, meine Gedanken und meine Vorgehensweise niederzuschreiben, wenn ich für einen Athleten eine Wettkampf-Vorbereitung im Bereich der Ernährung plane, und hoffe, dass dieser Artikel vielleicht dem einen oder anderen dabei behilflich sein wird, in Topform zu kommen, den Wettkampf seines Lebens zu bestreiten oder vielleicht sogar mit einem Siegerpokal und/oder der DFAC-Pro-Card in der Tasche von der GNBF e. V. Deutschen Natural Bodybuilding Meisterschaft am 20.10.2012 in Neu-Ulm zurück nach Hause zu fahren.

Die erste Frage, die sich generell stellt, ist, welche Ziele während einer Wettkampf-Vorbereitung verfolgt werden. Meiner Meinung nach sind es insbesondere die folgenden drei Ziele, die auch in Sachen ihrer Gewichtung exakt diese Reihenfolge einnehmen sollten:
  1. so viel Muskelmasse wie möglich während der Diät zu erhalten;
  2. so viel Fett wie möglich in kürzester Zeit abzubauen;
  3. die Kraftwerte so lange wie möglich stabil zu halten, um intensive Trainingsreize zu setzen.

  4. Denkt man nun genau darüber nach, hängen alle Ziele eng miteinander zusammen. Denn nur wer möglichst viel Muskelmasse erhalten kann, kann auch weiterhin intensiv trainieren und in optimalem Ausmaß Fett verbrennen. Je mehr Muskelmasse, desto effektiver der Körperfettabbau.

    So viel Körperfett wie möglich in kürzester Zeit abzubauen, klingt zunächst nach einer Extrem- oder Crash-Diät. Betrachtet man aber Punkt 1, so ist klar, dass „so viel wie möglich“ relativ ist. Denn wer zu radikal vorgeht, der verbrennt zwar möglicherweise schnell und viel Körperfett, aber Priorität 1, der Erhalt der Magermasse, kann nicht mehr gewährleistet werden. Daher bedeutet „so viel wie möglich“ in Zahlen etwa 300 bis 800 g pro Woche.

    Zu Beginn der Diät, wenn noch ausreichend Körperfett vorhanden ist, kann man sich eher am oberen Wert orientieren; je niedriger der Körperfettanteil sinkt, desto langsamer sollte die Gewichtsabnahme erfolgen, um möglichst viel Muskeln erhalten zu können. Der Körper ist sehr eingeschränkt in seiner Möglichkeit, Fette aus den Depots freizusetzen. Einfach ausgedrückt, der Organismus kann nur die Menge X kcal an Fett pro Kilogramm Körperfett täglich freisetzen, die auch verbrannt werden kann. Durchgerechnet wird schnell klar, je mehr Körperfett, desto mehr kann auch täglich an Fett freigesetzt und verbrannt werden. Je niedriger der Körperfettanteil, desto weniger Fett kann aus dem Unterhautfettgewebe freigesetzt werden und desto langsamer der Körperfettabbau.

    Geht man nun bei einem sehr niedrigen Körperfettanteil über einen zu langen Zeitraum zu aggressiv vor, steigt die Wahrscheinlichkeit, nicht das volle Muskelpotential bis auf die Bühne retten zu können. Daher sollte in Abhängigkeit vom derzeit aktuellen Körperfettanteil auch ausreichend viel Zeit für die Reduktionsdiät eingeplant werden!

    Sind diese Schritte verinnerlicht, geht es an die eigentliche Diätplanung. Hier muss entschieden werden, wie viel Protein, Kohlenhydrate und Fette täglich konsumiert werden sollten. Das ist natürlich individuell sehr unterschiedlich, und ich möchte diesbezüglich auch gar keine Grundsatzdiskussion beginnen. Nur soviel: Der Proteinbedarf sollte in jedem Fall gedeckt werden! Gedeckt werden! Gedeckt werden heißt aber nicht, übermäßig hoch sein!!!

    Denn ist der Bedarf erst einmal gedeckt, bringt mehr nicht mehr! Im Gegenteil … je höher die Proteinzufuhr, desto höher die Aminosäurenoxidation. Davon hat man nur leider nicht sehr viel und sollte größeres Augenmerk auf den folgenden Punkt legen: so viele Kohlenhydrate wie möglich! Ja, richtig gelesen! So viele wie möglich. Doch bevor ihr diesen Artikel jetzt zur Seite legt, den Kopf schüttelt und euch fragt, ob ich noch ganz bei Sinnen bin, wenn ich Empfehlungen wie „so viel Kohlenhydrate wie möglich“ ausspreche, und das in Zeiten des Low-Carb-Wahns, lasst mich meine Aussage kurz erklären. So viel wie möglich bedeutet zunächst einmal, dass so viele Kohlenhydrate wie möglich gegessen werden sollten, solange noch Fortschritte im Körperfettabbau verbucht werden können.

    Wer also beispielsweise in der Off-Season 400 g Kohlenhydrate täglich konsumiert hat, der sollte nicht mit 100 g Kohlenhydraten oder weniger in die Diät starten! Wozu auch? Nicht nur, dass man sich so selbst der Möglichkeit beraubt, zielgerichtete Anpassungen im Laufe der Diät vorzunehmen, man kürzt darüber hinaus die Aufnahme eines Nährstoffes, der extrem proteinsparend wirkt. Denkt an dieser Stelle bitte noch einmal an Priorität 1 zurück: so viel Muskelmasse wie möglich während der Diät erhalten.

    Das wird euch besonders dann sehr gut gelingen, wenn ihr die Kohlenhydratzufuhr so hoch wie möglich haltet und nur so stark wie nötig reduziert. Warum sollte die Diät mit der Aufnahme von 100 g Kohlenhydraten täglich begonnen werden, wenn das Körpergewicht auch bei einer täglichen Zufuhr von 250 g oder mehr um 500 g pro Woche reduziert werden kann? Meine Antwort hierauf ist: weil eine Wettkampf-Vorbereitung häufig mit Qualen in Verbindung gebracht wird. Und sind diese Qualen nicht vorhanden, haben viele Sportler das Gefühl, irgendetwas würde nicht nach Plan verlaufen.

    Aber genau DAS ist nicht der Fall. Die beste Diät ist diejenige, während der man sich wohlfühlt, energiegeladen ist und trotzdem Fortschritte erzielt! Fangt also nicht zu früh an, die Kohlenhydrataufnahme zu radikal einzuschränken.

    Und wie verhält es sich mit dem Nahrungsfett? Nun, Fett zeigt den geringsten Einfluss auf den Erhalt der Muskelmasse oder die Förderung der Fettverbrennung. Und trotzdem ist die Aufnahme einer gewissen Menge Fett durch die Nahrung nicht unwichtig. Denn neben der Tatsache, dass bestimmte Fettsäuren essentiell (lebensnotwendig) sind für den Körper, ist für ein optimales hormonelles Umfeld eine Mindestmenge des Verzehrs von Nahrungsfett erforderlich. 20 bis 30 % der Gesamtkalorien sind hierfür jedoch schon ausreichend. Wie Studien belegen, kann es zu einem Abfall der Testosteronwerte kommen, wenn die tägliche Menge an verzehrtem Nahrungsfett zu lange unter 20 % der aufgenommen Gesamtkalorienzahl gehalten wird, während mehr als 30 % der täglich verzehrten Kalorienmenge in Form von Fett jedoch keinen weiteren Vorteil mit sich bringt.

    Fügt man nun alles zusammen, so könnte der Beginn der Diät folgendermaßen aussehen:
    • 2,0 bis 2,5 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht (mehr ist nicht notwendig!!!)
    • 20 bis 30 % der Kalorienzufuhr über Nahrungsfette
    • Rest = Kohlenhydrate

    Im Laufe der Diät kann nun immer mehr an der Gesamtmenge der Kohlenhydrate „gedreht“ werden, während die anderen beiden Variablen, also die Protein- und Fettaufnahme, konstant bleiben.

    Als Nächstes ist das Training an der Reihe. Auch hier hat jeder seinen eigenen Trainingsstil. Ich möchte keine Debatte loslösen, welche Trainingsform denn nun die beste ist und welches System welchem überlegen ist – oder auch nicht. Vielmehr möchte ich auf einen grundlegenden Fehler eingehen, den viele Wettkämpfer immer wieder begehen. Und auch hier bin ich persönlich das beste Beispiel dafür, wie man es NICHT machen sollte. Denn auch ich bin schon in diese Falle getreten. Die Rede ist vom Gesamtvolumen des Trainings. Diese wird von den meisten Athleten mit Beginn einer Diät gesteigert, indem mehr Sätze, mehr Wiederholungen und häufigere Trainingseinheiten pro Woche durchgeführt werden und das Ganze dann noch durch zahlreiche Kardioeinheiten ergänzt wird – und natürlich alles im bestehenden Kaloriendefizit!

    Ich möchte es vorwegnehmen: Für die meisten ist dieser Weg eine Sackgasse! Zwar ist es durchaus möglich, auch so das individuell gesteckte Ziel zu erreichen, aber in 90 % aller Fälle wird der jeweilige Athlet bei einer solchen Vorgehensweise sein genetisches Potential nicht ausschöpfen können und in persönlicher Bestform auf der Bühne stehen. Natural Bodybuilder sollten eigentlich genau andersherum vorgehen! Das Gesamtvolumen an Trainingseinheiten sollte tendenziell eher reduziert werden. Der Grund hierfür ist, dass sich eine Überlastung des zentralen Nervensystems (was sehr schnell gehen kann bei reduzierter Kalorienzufuhr und gleichzeitig gesteigertem Trainingsumfang) äußerst negativ auf den Fettabbau auswirken kann. Die Lösung sollte also eher darin bestehen, das Trainingsvolumen zu reduzieren, die Trainingsintensität zu erhöhen und ausreichend Zeit für die Regeneration einzuplanen.

    Das Endergebnis wird deutlich besser ausfallen als gewohnt. Vergesst also die fünf HIIT-Einheiten pro Woche und die 60 Minuten Kardiotraining nach dem Marathon-Krafttrainingsprogramm, welches am besten täglich ausgeführt wird. Vergesst auch das Training von unzähligen Sätzen und Übungsvariationen bei gleichzeitiger Durchführung einer hohen Wiederholungsanzahl pro Satz, nur im Versuch, dadurch den Kalorienverbrauch zu erhöhen! Das Krafttraining sollte speziell während der Diät für eines NICHT genutzt werden … um den Kalorienverbrauch zu erhöhen! Krafttraining hat nur einen einzigen Sinn während der Diät: die bereits vorhandene Muskelmasse zu erhalten. Punkt.

    Und das gelingt am besten mit dem Training von schweren Sätzen unter Einsatz der Grundübungen. Dutzende Intensitätstechniken und endlose Trainingseinheiten haben ihren Platz in der Off-Season, nicht aber in der Diätphase! Zu diesem Zeitpunkt befindet sich der Organismus schon genug im Stress. Die Kapazitäten für eine entsprechende Regeneration sind in diesem Moment nicht vorhanden. Betretet das Gym, setzt den notwendigen Erhaltungsreiz und steuert den Rest über die Ernährung. Auch beim Kardio gilt, so viel wie nötig und nicht so viel wie möglich!

    Wenn ihr diese Ratschläge befolgt, eure Ernährung und euer Training gut plant und steuert, nicht in Panik verfallt und auf sämtliche Extremmaßnahmen verzichtet, garantiere ich euch, werdet ihr in der besten Form eures Lebens auf der Bühne stehen – vorausgesetzt, ihr macht euch diese nicht während der alles entscheidenden letzten Woche vor einem Wettkampf durch irgendwelchen Blödsinn kaputt … aber das ist genug Stoff für einen weiteren Artikel.

    Notiz des Herausgebers: Für weitere Informationen über Philipp Rauscher besuchen Sie seine Webseite: www.logisch-ernaehren.de.






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