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PURE PHYSIQUE - WIRD ES FUNKTIONIEREN?
23.07.2013von Michael Lipowski
Die Frage, ob eine bestimmte Trainingsstrategie funktioniert und zu den gewünschten Ergebnissen im Muskelaufbau oder Fettabbau führt, stellt sich mit Sicherheit jeder, der zum ersten Mal ein Sportstudio besucht. Aber auch für diejenigen, die bereits über sehr viel Erfahrung im Gewichtstraining verfügen, ist diese Fragestellung von zentraler Bedeutung. Wird es funktionieren? Basierend auf Ihren in der Vergangenheit gesammelten Trainingserfahrungen, Ihrem Verständnis für Übungsphysiologie oder sogar als Folge einer gewissen Blauäugigkeit könnte es durchaus so sein, dass Sie sich entweder sehr zuversichtlich oder sehr skeptisch zeigen bezüglich Ihrer nächsten Entscheidung im Hinblick auf das Training.
Vielleicht sind Sie felsenfest davon überzeugt, dass der neu eingeschlagene Weg genau der richtige ist, um Ihre körperliche
Entwicklung voranzutreiben und Ihr Kraftniveau zu verbessern. Oder aber Sie machen sich Gedanken darüber, dass Sie unter Einsatz einer neuen Trainingsstrategie alle Ihre bisher erzielten Erfolge im Muskelaufbau zunichtemachen. Wird es funktionieren? Bereits vom ersten Tage an, an dem Sie damit beginnen, Ihr neues Trainingsprogramm in die Praxis umsetzen, durchzieht diese Frage jede Zelle Ihres Gehirns. Zu Beginn eines neuen Trainingsprogramms befinden sich Ihre Motivation, Ihre Begeisterung und Ihre Neugierde auf einem Höchststand. Wird es funktionieren? Niemals zuvor haben Sie auf eine vergleichbare Art und Weise trainiert, wie Sie das jetzt unter Einsatz Ihres neuen Trainingsprogramms tun. Derartige Kombinationen aus Übungen, Sätzen und Wiederholungen fanden in Ihrem Trainingsaufbau bisher keine Berücksichtigung. Wird es funktionieren? Es hat zu funktionieren! Nein … hat es nicht.
Ich reagiere immer häufiger mit einem Kopfschütteln, wenn ich manche Kommentare lese, die in diversen Online-Bodybuilding-Communitys niedergeschrieben sind, oder wenn ich einige am Kiosk ausliegende Bodybuilding-Magazine durchblättere, in denen ein neuartiges, innerhalb von 30 Tagen zu großartigen Resultaten im Masseaufbau und im Kraftzuwachs führendes Trainingsprogramm in den höchsten Tönen gepriesen wird. Jedes dieser neuen Super-Programme soll angeblich für den Erfolg im Natural Bodybuilding prädestiniert sein und auf wissenschaftlichen Fakten beruhen, aber es handelt sich dabei wohl eher um eine pseudowissenschaftliche Betrachtung, die bereits bewährte Trainingsgrundlagen missachtet, und bei der anerkannte Trainingsmethoden nur halbherzig Anwendung finden. Abgesehen von den abenteuerlichsten Begründungen und Vermutungen, die den Erfolg eines neuartigen Trainingsprogramms garantieren sollen, empfinde ich die Tatsache am amüsantesten, dass der Autor bzw. der Begründer eines solchen Trainingsprogramms häufig keinen blassen Schimmer davon hat, ob das von ihm vorgestellte Trainingsprogramm in der Praxis auch tatsächlich zu den gewünschten Erfolgen im Körpertraining führt.

Ja, genau, lassen Sie mich das noch einmal wiederholen: Der Autor bzw. der Begründer eines revolutionären Trainingsprogramms hat oftmals keinerlei Erfahrung gesammelt, ob das von ihm propagierte Trainingskonzept auch wirklich erfolgreich ist. Es sei denn, er hat es selbst an sich ausprobiert oder – falls er als Personal Trainer tätig ist – auf seine Klienten übertragen und seine Schützlinge nach diesem Programm trainieren lassen. Darin liegt auch die Begründung, dass ich mich nicht damit anfreunden kann, wenn in einem Artikel oder in einem Buch Behauptungen aufgestellt werden, deren Tenor in die Richtung geht, „das folgende Trainingsprogramm wird Ihnen garantiert dabei helfen, Ihre Zielsetzung zu erreichen.“ Eine solche Aussage entbehrt jeder Grundlage. Ich persönlich würde eine derart pauschalisierte Behauptung niemals aufstellen. Woher weiß ich denn, ob meine Art des Trainings, mein Trainingssystem und meine Trainingsvorgaben für alle anderen Menschen ebenso wirkungsvoll sind wie für mich oder für meine Klienten?
Allerdings bedeutet das nicht, dass ich niemals Verallgemeinerungen formuliere oder dass ich zwei verschiedene Klienten nicht auch ähnlich konzipierte Trainingseinheiten durchführen lasse. Worauf ich hinaus möchte, ist, dass ich durch die Kenntnis aller für die Effektivität eines Trainings ausschlaggebenden Variablen bereits mit einer relativ großen Sicherheit voraussagen kann, wie das Endresultat einer von mir in der Praxis zum Einsatz kommenden Trainingsstrategie aussehen wird. Angenommen, ein mir unbekannter Trainer oder Bodybuilder beschäftigt sich näher mit den Grundlagen meines Trainings, also mit der Anzahl der insgesamt trainierten Sätze für die einzelnen Muskelgruppen, den absolvierten Wiederholungszahlen pro Satz oder mit der für das Training getroffenen Übungsauswahl für jede Muskelgruppe.
Aufgrund der von mir und den durch meine Klienten erzielten Resultate in der Körperentwicklung wird diese mir unbekannte Person wahrscheinlich davon ausgehen, dass meine Trainingsstrategie erfolgreich ist. Folglich wird er meinen Trainingsansatz selbst einmal ausprobieren wollen. Dabei muss aber ein Aspekt besonders betont werden: Wenn ein anderer Trainer oder die von ihm betreuten Personen meine Trainingsstrategie nicht auf die gleiche Art und Weise in die Praxis umsetzen wie ich oder meine Klienten das tun, also wenn sie nicht mit einer ähnlich hohen Trainingsintensität trainieren, die Übungen nicht mit derselben Konzentration ausführen, die Zielmuskulatur während jeder einzelnen Wiederholung eines Satzes nicht höchstmöglich isolieren und das Trainingsprogramm nicht im selben Zeitraum absolviert wird wie von mir selbst oder von meinen Klienten, dann ist ein derartiges Training ganz einfach nicht das gleiche, welches mir persönlich und den von mir betreuten Sportlern zu bestmöglichen Resultaten im Körperaufbau verholfen hat.
Wird es funktionieren? Nun, vielleicht bis zu einem gewissen Grad, aber eventuell auch überhaupt nicht. Diejenigen, die großspurig propagieren, dass ihr Programm idiotensicher für den Muskelaufbau ist und diese Behauptung anhand wissenschaftlicher Beweise zu belegen versuchen, sind Narren. Diese Behauptung behalte ich so lange aufrecht,
bis derjenige, der ein solches Programm propagiert, andere Menschen bei der Durchführung der von ihm empfohlenen Trainingsstrategie persönlich begleitet. Ich habe bereits mit Athleten zusammengearbeitet, die mir sagten, dass sie ihre besten Trainingsfortschritte unter Anwendung eines hohen Trainingsvolumens erzielt haben. Allerdings konnte ich bei der Überprüfung ihres Trainings in der Praxis erkennen, dass die Begründung für diese Aussage darin zu finden war, dass die Übungen mit schlechter Technik ausgeführt wurden und in der mangelhaften Fähigkeit der „Volumen-Befürworter“, die jeweilige Zielmuskulatur bestmöglich zu isolieren. Durch mein Coaching waren diese Athleten schon bald dazu in der Lage, durch das Training eines einzigen Satzes genauso starke Wachstumsreize auf die Muskulatur auszuüben wie durch das durch sie zuvor praktizierte Volumentraining. Aber wenn ich nicht dabei gewesen wäre und ihnen die Feinheiten in der Übungsausführung vermittelt hätte – wodurch die Qualität und die Effektivität der entsprechenden Übung enorm verbessert wird im Vergleich zu der Durchführung der Übungen mit schlechterer Technik –, dann hätten diese Athleten mit hoher Wahrscheinlichkeit behauptet, dass mein Trainingssystem nicht funktioniert oder zumindest nicht zu vergleichbar
guten Ergebnissen führt wie die von ihnen üblicherweise befolgte Trainingsstrategie. Und damit hätten diese Athleten dann gar nicht mal so unrecht. Wird es dennoch funktionieren? Vielleicht.
Jedoch ist das durch die Anwendung eines Trainingsprogramms erzielte Resultat so lange nicht vorhersehbar, bis jeder einzelne damit verbundene Aspekt exakt so in die Praxis umgesetzt wird wie vorgesehen. Allerdings gibt es auch Situationen, in denen ein in der Praxis erfolgreich bewährtes Trainingssystem exakt wie vorgeschrieben zur Anwendung kommt und dennoch nicht funktioniert, sprich für einen Athleten nicht annähernd zu vergleichbar guten Ergebnissen in der Körperentwicklung führt wie für einen anderen Athleten. Zwei Gründe sind hierfür ausschlaggebend: Erstens, das entsprechende Trainingsprogramm steht nicht in Übereinstimmung mit den individuellen körperlichen Voraussetzungen des Athleten oder zweitens, das entsprechende Trainingsprogramm ist für den Sportler aufgrund vorhandener externer Faktoren in seinem Leben unzweckmäßig. Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Trainingsansätze.
Das Problem, welches auf die meisten dieser Trainingsansätze zutrifft, ist, dass sich jedes einzelne Trainingssystem auf einen speziellen Aspekt konzentriert und diesen speziellen Aspekt als den wichtigsten Bodybuilding-Erfolgsfaktor überhaupt hervorhebt. Aber Sie müssen sich über alle Erfolgsfaktoren für die Körperentwicklung im Klaren sein, die mit einer speziellen Trainingsstrategie in Zusammenhang stehen. Des Weiteren sollte Ihnen bewusst sein, dass Sie gegebenenfalls einen dieser Erfolgsfaktoren stärker betonen müssen als andere, um den gewünschten Erfolg durch die Umsetzung eines entsprechenden Trainingsansatzes in der Praxis zu erzielen. So gibt es beispielsweise Trainings programme, die eine hohe Anzahl von Übungen pro Muskelgruppe vorsehen und die eine geringe Trainingsintensität empfehlen. Bei einem solchen Training wird jeder einzelne Satz bereits kurz vor Einsetzen des Muskelversagens bgebrochen.

Das vorrangige Ziel dieser Programme ist darin zu sehen, die durch das Training auf das Nervensystem hervorgerufene Belastung zu reduzieren. Ich bin der Meinung, dass ein kürzeres Training, welches bis zum Muskelversagen durchgeführt wird, die Zielmuskulatur und den gesamten Körper wesentlich mehr fordert als im Vergleich zu einem mit geringerer Intensität und höherem Volumen durchgeführten Training. Das Training bis zum Muskelversagen stellt sehr hohe Anforderungen an den Organismus und resultiert aus meiner Sicht in besseren Ergebnissen in der Körperentwicklung und auch in einem geringeren Gelenkverschleiß als das Volumentraining. Allerdings darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, dass es aufgrund des Bestrebens nach der kontinuierlichen Steigerung der Trainingsintensität bis zum Muskelversagen oder sogar darüber hinaus im Laufe der Zeit zu einer erheblichen Belastung des Nervensystems kommt. Deshalb kann es durchaus sinnvoll sein, über einen befristeten Zeitraum einen Trainingsansatz zu verfolgen, bei dem die einzelnen Sätze kurz vor dem Erreichen des Muskelversagens abgebrochen werden.
Eine derartige Trainingsstrategie eignet sich gut zur Vermeidung von Stagnation oder sogar von einer Verschlechterung der körperlichen Entwicklung. Einige Leute sind der Ansicht, dass zur Überwindung eines Erschöpfungszustandes des Organismus eine komplette Trainingspause vonnöten ist. Dieser gedankliche Ansatz ist grundsätzlich nicht verkehrt, aber es gibt Zeiten, in denen eine solche Vorgehensweise für einen Athleten entweder keine Option darstellt oder nur auf sehr wenig Gegenliebe stößt. Falls sich ein Athlet bereits im Übertraining befindet, so ist das Training bis kurz vor dem Muskelversagen eine gute Alternative zu hochintensiven Trainingseinheiten. Zahlreiche Athleten haben auch
durch ein Training, das nur gelegentlich bis zum Muskelversagen ausgeführt wird, durchaus bemerkenswerte Fortschritte im Muskel- und Kraftaufbau erzielen können, und somit hat sich eine derartige Trainingsstrategie durchaus in der Praxis bewährt. Durch Kenntnis aller mit dem Muskelaufbau und dem Kraftzuwachs in Verbindung stehenden Faktoren und dem Verständnis, wie die einzelnen Faktoren miteinander in Verbindung stehen, können Sie entsprechende Richtungsentscheidungen bezüglich der Konzeption Ihres eigenen Trainingsprogramms vornehmen – und das, ohne sich die quälende Frage stellen zu müssen, ob es funktionieren wird.
Obwohl es nicht möglich ist, mit 100%iger Sicherheit vorherzusagen, ob ein Trainingsprogramm zu den gewünschten Ergebnissen führen wird, können Sie die Wahrscheinlichkeit der Erfolgsaussichten eines spezifischen Trainingsprogramms wesentlich besser einschätzen, wenn Sie die 7 Grundregeln der Trainingsplanung zur Beurteilung der Wirksamkeit eines Trainingsprogramms für den Körperaufbau nutzen. Diese 7 Grundregeln der Trainingsplanung sind: Intensität, Umfang, Häufigkeit, Belastungsdosierung, Zielvorgabe, Verhältnis „Aufwand zu Ertrag“ und individuelle Faktoren im Zusammenhang mit dem Sportler, die auf Erkenntnissen der Stressforschung beruhen.
Wenn Sie diese 7 Grundregeln der Trainingsplanung für sich verinnerlicht haben, dann werden Sie nicht auf Trainingsprogramme von der Stange zurückgreifen, sondern vielmehr die Intensität, den Umfang, die Häufigkeit, die Übungsausführung und alle anderen mit einem effektiven Training in Verbindung stehenden Variablen so gestalten, dass das Training nicht zu einer übermäßigen Belastung für Sie wird, sondern dass es genau auf Ihre persönlichen Lebensumstände und Ihre körperlichen Voraussetzungen zugeschnitten ist. Wenn Sie sich schon einmal ein Baseballspiel angesehen haben, dann konnten Sie erkennen, dass das gegnerische Team des Ball schlagenden Spielers seine Spieler so auf dem Feld positioniert, dass diese gut gewappnet sind, die Stärke des Gegners mit einem Konter zu beantworten. Gehen wir einmal davon aus, dass der Ball schlagende Spieler die Fähigkeit für einen „Home-Run“ besitzt, und dass dieser Spieler den Ball mit Vorliebe in die linke Spielhälfte schlägt. Unter Berücksichtigung dieser Kenntnis wird der
Trainer des gegnerischen Teams seine Spieler mehr auf die linke Spielfeldseite verlagern und sein Team etwas weiter hinten als gewöhnlich im Feld positionieren. Wenn Sie nun die Anordnung der Spieler auf dem Spielfeld betrachten, so mag es Ihnen aufgrund der ungewöhnlichen Positionierung der Mannschaften so erscheinen, als wenn im Spielaufbau irgendetwas nicht stimmen würde. Aber damit irren Sie sich denn der Positionswechsel der einzelnen Spieler ist notwendig (und zeitlich begrenzt), um bestmöglich auf die Attacke des Ball schlagenden Spielers und dessen Stärke reagieren zu können.
Ich empfehle Ihnen, bezüglich der Organisation Ihres Trainings von Zeit zu Zeit ähnlich vorzugehen wie die Mannschaft, die sich auf den Schlag des Ball schlagenden Spielers des gegnerischen Teams vorbereitet. Gestalten Sie Ihren Trainingsaufbau so, dass Sie für eventuell eintretende negative Situationen, beispielsweise Übertraining, Erschöpfung oder Stagnation, gut gerüstet sind. Sorgen Sie dafür, dass Sie sich in einer guten Ausgangsposition befinden, um die von Ihnen gewünschten Trainingserfolge zu realisieren. Allerdings wird ein solches Vorgehen nur schwer zu verwirklichen sein für den Fall, dass Sie keine ausreichenden Kenntnisse über den Schlagspieler, sprich das Training besitzen, oder wenn es Ihnen an Erfahrung fehlt bezüglich Ihrer persönlichen körperlichen und geistigen Reaktionen als Folge des Einsatzes einer bestimmten Trainingsstrategie.
Falls Sie bisher ständig von einem Trainingsansatz zum anderen gewechselt sein sollten in der Hoffnung, so endlich die für Sie am besten geeignete Trainingsstrategie herauszufinden, dann besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Sie durch diesen übermäßig häufigen Wechsel des Trainingsprogramms den wichtigsten Faktor überhaupt vernachlässigt haben, nämlich sich selbst. Natürlich ist das Experimentieren mit unterschiedlichen Trainingsansätzen Voraussetzung dafür, dass Sie die für sich beste Trainingsstrategie ermitteln können. Aber das wird nur dann möglich sein, wenn Sie sehr sorgfältig auf die sich zeigenden Reaktionen Ihres Organismus achten, die sich während des Zeitraums der Durchführung eines spezifischen Trainingsansatzes bemerkbar machen.
Letztendlich sollte Ihr Ziel darin bestehen, durch die Erprobung unterschiedlicher Trainingsphilosophien in der Praxis etwas über Ihre Fähigkeit – oder falls Sie als Personaltrainer oder Fitnessberater tätig sind, etwas über die Fähigkeit Ihrer Klienten zu erfahren, wie Ihr Organismus oder der Ihrer Klienten mit der aus dem Training resultierenden physischen und psychischen Belastung umgeht.